Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) ist ein unabhängiges wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz (KMK). Ihr gehören sechzehn Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher aus unterschiedlichen Disziplinen an. Die Aufgabe der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission ist „die Beratung der Länder zur Weiterentwicklung des Bildungswesens und zum Umgang mit seinen Herausforderungen, insbesondere bei der Sicherung und Entwicklung der Qualität, bei der Verbesserung der Vergleichbarkeit des Bildungswesens sowie bei der Entwicklung mittel- und längerfristiger Strategien zu für die Länder in ihrer Gesamtheit relevanten Bildungsthemen. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission soll konkrete Handlungsempfehlungen vorlegen, die Überlegungen zu ihren finanziellen und quantitativen Folgen und zu ihrer Umsetzung beinhalten.“[1]
Für den Bereich der Berufs- und Wirtschaftspädagogik wurden in die SWK berufen:
Prof. Dr. Susan Seeber
Professorin für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung
Georg-August-Universität Göttingen
Bildrechte: Frank Lemburg, Fotostudio Wilder Göttingen
Prof. Dr. Birgit Ziegler
Professorin für Berufspädagogik und Berufsbildungsforschung
Technische Universität Darmstadt
Der Bundesvorstand des BvLB begrüßt die Besetzung der SWK mit zwei ausgewiesenen Berufs- und Wirtschaftspädagoginnen und sieht darin gleichzeitig eine Stärkung der Perspektive auf das Lehramt an beruflichen Schulen bei der KMK.
Aktuell beschäftigt sich die SWK mit dem Lehrkräftemangel. Hierzu hat sie im Januar 2023 eine sehr kontrovers diskutierte Stellungnahme „Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel“ vorgelegt.[2] Diese eher auf kurz- und mittelfristige Maßnahmen ausgerichtete Stellungnahme soll durch ein für Anfang 2024 angekündigtes Gutachten ergänzt werden, welches das Problem der Lehrkräfteaus- und -fortbildung sowie des Umgangs mit dem akuten Lehrkräftemangel und den unterschiedlichen Strategien der Länder umfangreich analysiert. Es werden zu den genannten Feldern Empfehlungen für längerfristige Maßnahmen und strategische Entwicklungen enthalten sein. Der Arbeitstitel dieses Gutachtens lautet: „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftequalifizierung für einen hochwertigen Unterricht“.
Am 23. Juni 2023 fand ein erstes Gespräch des Bundesvorstandes des BvLB mit Prof. Susan Seeber und Prof. Birgit Ziegler statt. Der Bundesvorstand war vertreten durch die beiden Bundesvorsitzenden, Pankraz Männlein und Dr. Sven Mohr sowie die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Yamina Ifli (Geschäftsbereich Lehrkräftebildung) und Thomas Speck (Geschäftsbereich Bildungs- und Schulpolitik).
Prof. Seeber und Prof. Ziegler berichteten über den aktuellen Arbeitsstand der SWK. Im Herbst soll es eine Stellungnahme der SWK zum Thema „Berufsorientierung“ geben, im Laufe des Jahres 2024 ein Gutachten zur „Sicherung von Mindeststandards fachlichen Lernens in der Sekundarstufe I und im Übergangssektor (Arbeitstitel)“. Im Rahmen der Arbeiten an dem Gutachten zur Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftequalifizierung (s. o.) werden im September 2023 in Form von Hearings Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Bildungspraxis und Zivilgesellschaft einbezogen. Der BvLB wird an diesen Hearings teilnehmen.
Dieses Gutachten wird sich umfassend mit allen Phasen der Lehrkräftebildung auseinandersetzen: Studium, Vorbereitungsdienst sowie Fort- und Weiterbildung. Es „werden vor dem Hintergrund einer Sichtung und Einordnung der vorliegenden Prognosen zum Lehrkräftebedarf Maßnahmen zur Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte und zur Sicherstellung ihrer umfassenden Qualifizierung beschrieben. Zentraler Maßstab für die Qualifizierung von Lehrkräften sind die Kompetenzen, die für die Gestaltung eines hochwertigen Unterrichts und einer effektiven individuellen Förderung aller Schülerinnen und Schüler notwendig sind. Die SWK macht entsprechend Vorschläge für eine Konkretisierung sowie Anpassung der Standards für die Lehrkräftebildung, die auch die Grundlage für die Gestaltung alternativer Wege ins Lehramt darstellen. Außerdem werden Empfehlungen für die Organisation alternativer Wege ins Lehramt formuliert. Dies schließt die Frage der Gestaltung von Lerngelegenheiten ein, die eine Verzahnung von fachlichem, fachdidaktischem und bildungswissenschaftlichem Wissen unterstützen sowie den kumulativen Kompetenzaufbau fördern. Was die universitäre Ausbildung betrifft, wird die SWK Ansätze zur Erhöhung der Studienerfolgsquote und der Verkürzung der Studienzeiten hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit prüfen.“[3]
Die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren sich einig, dass alles getan werden muss, um einer Deprofessionalisierung künftiger Lehrerinnen und Lehrer sowie des Berufsstandes als Ganze entgegenzuwirken. Die grundständige zweiphasige Ausbildung von Studium und Vorbereitungsdienst wird von der SWK nicht in Frage gestellt, was der BvLB sehr begrüßt. Überlegungen zur Einrichtung dualer Studiengänge, die theoretische und praktische Studienanteile systematisch miteinander vernetzen, wurden unter Abwägung verschiedener Perspektiven diskutiert. Einig war man sich darin, dass bei allen Ausbildungsmodellen hohe Qualitätsstandards einzuhalten sind und nicht die Deckung des Lehrkräftebedarfs im Vordergrund stehen kann.
Der BvLB machte in diesem Zusammenhang auch deutlich, dass verschiedene Zugangswege gerade für das Lehramt an beruflichen Schulen schon immer ein wichtiges Element gewesen sind, um den Lehrkräftebedarf zu decken. Es müsse dabei darauf geachtet werden, dass der Quer- oder Seiteneinstieg in den Beruf der Lehrkraft an einer beruflichen Schule immer mit einer (möglichst in Kooperation mit den Hochschulen stattfindenden) Qualifizierung verbunden ist, die mit einer den KMK-Standards für die Lehrkräftebildung entsprechenden staatlichen Prüfung/Staatsprüfung endet. Nur so kann vermieden werden, dass es Lehrkräfte „1. und 2. Klasse“ gibt und dass die bundesweite Mobilität dieser Lehrkräfte beschränkt wird.
Ein weiterer Schwerpunkt des Gesprächs lag auf Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Berufs. Prof. Seeber und Prof. Ziegler wiesen darauf hin, dass das Lehramt an beruflichen Schulen unter Abiturientinnen und Abiturienten kaum bekannt sei. Hier könnten über den BvLB-Bundesverband und die Landesverbände noch gezielter junge Menschen angesprochen werden. Der BvLB machte deutlich, dass die Studierenden an den Universitäten und die Anwärterinnen und Anwärter im Vorbereitungsdienst strukturell besser begleitet und vorbereitet werden müssen, z. B. durch Coaching- und Mentoringangebote, gezielte Förderung der Teamfähigkeit sowie die Einbindung in internationale Austauschprogramme. Eine bessere und institutionell verankerte Verzahnung von erster und zweiter Phase der Lehrkräftebildung könnte Brüche beim Übergang vermeiden und den Einstieg in das Referendariat erleichtern.
Deutlich stellte der BvLB auch die Bedeutung der Lehrkräfte für Fachpraxis/Fachlehrkräfte für die beruflichen Schulen heraus. Hier braucht es dringend eine einheitliche und neu geregelte Ausbildung, die attraktiv und hinsichtlich des Übergangs in ein Hochschulstudium anschlussfähig ist. Die völlig veraltete „KMK Rahmenordnung für die Ausbildung und Prüfung der Lehrer für Fachpraxis im beruflichen Schulwesen“ aus dem Jahr 1973 ist antiquiert und eine Überarbeitung mehr als überfällig.
Leider konnte das Thema „Fort- und Weiterbildung“ nur kurz angesprochen werden. Diese dritte Phase der Lehrkräftebildung einschließlich der Berufseingangsphase hat eine hohe Bedeutung und muss auch aus Sicht der SWK mehr in den Blick genommen werden. Der sehr konstruktive Austausch mit Prof. Seeber und Prof. Ziegler soll daher fortgesetzt werden.
Yamina Ifli
[1] https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/KMK/SWK/2022/SWK-Arbeitsprogramm_2023_2024.pdf (abgerufen am 11.08.2023)
[2] s. Stellungnahme des BvLB-Bundesverbands unter https://www.bvlb.de/2023/01/30/bvlb-kritisiert-praxisferne-empfehlungen-der-kmk-zur-bekaempfung-des-lehrkraeftemangels/ (abgerufen am 11.08.2023)
[3] https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/KMK/SWK/2021/20211209_SWK_Arbeitsprogramm_2022.pdf (abgerufen am 11.08.2023)