Bildung ist Ländersache. „Das mag gut sein, gleicht häufig aber einem föderalen Flickenteppich. Spätestens in der Coronakrise wurde das offenbar. Berufliche Bildung ist elementar, ihr Potential ist enorm. Dennoch gibt es zahlreiche Baustellen, wo seit Jahrzehnten nur Flickschusterei betrieben wurde“, kommentiert Joachim Maiß, BvLB-Vorsitzender, das Ergebnis der Enquete-Kommission. Der 662 Seiten umfassende Abschlussbericht „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ der Enquete-Kommission, der heute in Berlin vorgestellt wurde, liest sich so, als ob die Politik über alle Fraktionsgrenzen hinweg verstanden hätte, an welchen Stellschrauben gravierend gedreht werden muss, um die berufliche Bildung zukunftssicher aufzustellen. Mehr als drei Jahre haben die Parlamentarier verstärkt durch eine Vielzahl von sach- und fachkundigen Experten, darunter auch der ehemalige BvLB-Vorsitzende Eugen Straubinger, daran gearbeitet. Mehr als gutgemeinte Handlungsempfehlungen sind dabei nicht herausgekommen.
„Die Politik wird sich nun daran messen lassen, ob diese auch vom BvLB seit vielen Jahren geforderten dringend erforderlichen Maßnahmen zügig angegangen und umgesetzt werden. Gerade mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl sollte das Thema der Stärkung der beruflichen Bildung ganz weit oben auf der Agenda der Parteien stehen und in der neuen Legislaturperiode rasch angegangen werden. Da viele Themen aber auch in die Verantwortung der Landespolitik fallen, liegt hier der Ball im Feld der einzelnen Bundesländer. Jetzt müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht und die Bedeutung der beruflichen Bildung durch Taten untermauert werden“ sagt Maiß.
Fakt ist: In der beruflichen Bildung steckt enormes Potential, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern und damit die Wirtschaft in Deutschland zu stärken, Wohlstand in breite Teile der Bevölkerung zu bringen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern. Aber dieses Potential wird eben bei weitem nicht ausgeschöpft. Deshalb war es das Ziel der Kommission, Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen abzugeben, wie die berufliche Bildung zukunftsfest aufstellt werden kann. Insbesondere vor dem Hintergrund der voranschreitenden digitalen Transformation der Arbeitswelt. Eine zentrale Frage dabei war: Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, um zukünftige Auszubildende optimal auf die Arbeitswelt vorzubereiten?
Dabei wurden Themen wie das „Anpassen von Ausbildungsordnungen aufgrund veränderter Produktionsprozesse“, „Veränderungen einzelner Berufsbilder“, „Wie können Berufliche Schulen gut und zeitgemäß ausgestattet werden, um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden“? Es wurden Fragen zur Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften erörtert und analysiert, wie die Lernortkooperation zwischen Unternehmen und Schulen verbessert werden kann. „Alles Themen, die der BvLB seit Jahren immer wieder auf die politische Agenda gesetzt hat und pragmatische Lösungsvorschläge geliefert hat, die in Teilen auch in den Abschlussbericht eingeflossen sind“, sagt Maiß. Und betont: „Berufsbildung bedeutet, Bildungsstrukturen in den Regionen weiterzuentwickeln und Standorte zu sichern sowie insbesondere Antworten auf die Fragen zu liefern, wie junge Menschen noch stärker für eine Ausbildung begeistert werden können? Wie Berufsorientierung innovativer gestaltet werden kann?“
Klar ist der Politik, dass den Lehrkräften in der beruflichen Bildung eine Schlüsselrolle zukommt, und Ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. „Deshalb gilt es, sowohl ein größeres Bemühen bei der Gewinnung junger Lehrkräfte zu zeigen, die Aus-, Fort- und Weiterbildung in die Zeit zu stellen, die Wertschätzung des vorhandenen Personals, als auch der gesellschaftlichen Anerkennung dieses Berufs zu verbessern“, betont Maiß.
Besonders begrüßenswert ist aus Sicht des BvLB die Handlungsempfehlung, einen Pakt für berufsbildende Schulen ins Leben zu rufen, der eingebettet werden soll in den von der KMK geplanten Pakt für die berufliche Bildung. Schwerpunktthemen sollen hier sein: Auflage eines „DigitalPakts berufsbildende Schulen, für die nachhaltige und verlässliche Finanzierung digitaler Lernausstattung und Infrastruktur auf hohem Niveau und Support. Des Weiteren sollen die Schulen eigenständig über die Verwendung der Mittel für die Ausgestaltung des digitalen Unterrichts entscheiden können.
Es soll eine bundesweite digitale datenschutzrechtlich sichere Lernplattplattform zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen des Paktes für berufliche Schulen soll es auch eine Rekrutierungsoffensive geben, um mehr Lehrkräfte für die berufsbildenden Schulen zu gewinnen sowie eine Imagekampagne für das Lehramt an beruflichen Schulen. Es sollen die standortnahe Beschulung im ländlichen Raum sowie die Mobilität der Berufsschüler durch Azubi-Tickets, Wohnheime und flexible Mindestschülerzahlen gefördert werden. Und vor allem soll auch die Zusammenarbeit verbessert werden zwischen allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen zum Ausbau einer erfahrungs- und praxisorientierten, fest in Lehrplänen verankerten Berufsorientierung an allgemeinbildenden Schulen unter Einbindung regionaler Betriebe.
„Wie gesagt, viele Absichtserklärungen, die von der kommenden Regierung angegangen werden müssen. Denn Sonntagsreden mit dem selbigen Grundtenor hat es schon zu viele gegeben“, sagt Maiß.
Joachim Maiß