Die dritte Welle ist längst da. Die Inzidenzwerte explodieren. „Dass die Politik nach über einem Jahr Corona noch immer konzeptionslos durch die Pandemie irrlichtert, widersprüchlichste Entscheidungen fällt, fast tagtäglich einen neuen Haken auf dem Schlingerkurs schlägt, der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommt und wieder und wieder die eigene Verantwortung auf dem Rücken der Lehrkräfte ablädt, ist ein Armutszeugnis,” sagt Joachim Maiß, Bundesvorsitzender des Verbandes der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB), mit Blick auf die heutigen Entscheidungen des Bund-Ländertreffens der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsident:innen.
„Die Belastungsgrenze der Lehrkräfte ist längst überschritten. Heute Hybridunterricht, morgen Distanzunterricht und übermorgen dann doch lieber wieder Präsenzunterricht als politische Vorgabe, sprengt jede Unterrichtsvorbereitung. Es gibt auch nicht ansatzweise ein klares Konzept, wonach planbar Unterricht gestaltet werden kann. Gute Bildung braucht Verlässlichkeit und Vertrauen, nicht nur zwischen Lehrkräften und Schüler:innen, sondern auch zwischen der Politik und den Berufsbildnern“, sagt Maiß.
Erwiesenermaßen grassiert das mutierte Virus unter jungen Menschen deutlich stärker. Schwerste Verläufe nehmen auch in dieser Altersgruppe sprunghaft zu. Einen zugelassenen Impfstoff für Kinder und Jugendliche gibt es nicht. Lehrkräfte werden flächendeckend nicht priorisiert geimpft. Schnelltests, wenn sie denn überhaupt verfügbar sind, gaukeln eine trügerische Sicherheit vor, solange sie nicht vom medizinischen Fachpersonal durchgeführt werden. Und nur zweimal die Woche testen bringt schon mal gar nichts, weil ein Test immer nur eine Momentaufnahme ist und schon nach der Fahrt im vollen Schulbus hinfällig sein kann.
„Dieser Irrwitz in Summe macht es unmöglich, die berufsbildenden Schulen auch nur für den Wechselunterricht zu öffnen, weil der Gesundheitsschutz in keiner Weise gewährleistet ist. Der teilweise Wiedereinstieg in den Präsenzunterricht war schon angesichts stark steigender Inzidenzen der letzten Tage verantwortungslos“, sagt Maiß und fordert: „„Angesichts der Tatsache, dass in dem Instrumentenkoffer jetzt wieder nur noch die AHA-Regeln mit Stoßlüften überbleiben, ist es grob fahrlässig, die Schulen offen zu halten, indem man Inzidenzen und Stufenpläne nach Gutsherrenart ständig neu definiert und Grenzwerte willkürlich nach oben hin anpasst.“
Berufsbildende Schulen sind Teil des Infektionsgeschehens und müssen genauso in die Betrachtung im Kampf gegen das Virus mit einbezogen werden wie alles andere auch. „Es kann nicht sein, dass die Politik die Schulen immer wieder ausklammert und die Gefahrensituation herunterspielt. Insbesondere in den berufsbildenden Schulen, die als duale Ausbildungspartner der Betriebe fungieren, ist die Gefahr, dass Schüler:innen das Virus von der Schule in die Unternehmen tragen und damit Betriebe aller Couleur lahmgelegt werden könnten, riesig“, sagt Maiß.
Dies gelte umso mehr für Lehrkräfte, die Schüler:innen in pflegerischen und sozialpädagogischen Berufsfeldern begleiten und wechselnd mal im Betrieb, mal in der Schule aktiv sind. „Ohne Impfung kann und darf hier kein Präsenzunterricht stattfinden“, sagt Maiß und betont: „Nur die Kombination aller möglichen Hygienemaßnahmen mit engmaschigem Testen durch medizinisch-geschultes Personal sowie priorisiertem Impfen minimiert die Gefahr der Infektionsübertragung. Die Berufsbilder haben bewiesen, dass guter Distanzunterricht funktioniert.“
Joachim Maiß