Schwerpunktthemen waren: „Digitalisierung im Agrarbereich sowie Auswirkungen auf die berufsschulische Ausbildung“ und „Lehrergewinnung und -qualifizierung“.
Im Folgenden sind die Tagungsergebnisse im Einzelnen beleuchtet:
Digitalisierung
Zunächst beleuchtete Professor Bernhardt, Agrarsystemtechnik TUM, die Entwicklungen der digitalen Transformation im Agrarbereich. In vielen Bereichen der landwirtschaftlichen Produktion hat die Digitalisierung längst Einzug gehalten. Melkroboter, GPS- und sensorgesteuerte Düngerausbringung, Datenerfassung und –verknüpfung in Farm-Managementsystemen sowie etliche weitere Einsatzbereiche sind längst Stand der Technik. An weiteren Beispielen macht Professor Bernhard deutlich, welches Entwicklungspotenzial die Digitalisierung für die agrarwirtschaftliche Produktion eröffnet. Mähdrescher, Traktoren und Feldhacken, die ohne Fahrer auskommen sind entwickelt und werden derzeit praxiserprobt. „Auf diese Weise können zukünftig von einer Fachkraft mehrere Maschinen gesteuert und überwacht werden“, so Professor Bernhardt. Nach seiner Ansicht werden sich dadurch die Anforderungen an die Facharbeiter und Facharbeiterinnen verändern. Von den künftigen Auszubildenden wird ein Informatik-Grundverständnis erwartet werden müssen.
Die Anforderungen an die Jugendlichen werden mit zunehmender Digitalisierung der Arbeitswelt auch in der beruflichen Erstausbildung steigen. In der anschließenden Diskussion sind sich die Tagungsteilnehmer einig, dass die Digitalisierung verstärkt Eingang in die berufsschulische Bildung finden muss. Derzeit gibt es allerdings für die agrarwirtschaftlichen Berufsschulen noch keine schlüssigen Konzepte, wie die Digitalkompetenz im Unterricht erworben werden soll.
Der Bundesring der agrarwirtschaftlichen Berufsschullehrer/-innen wird die Thematik bei den kommenden Jahrestagungen weiter verfolgen.
Im Anschluss an die Diskussion berichteten zwei junge Kolleginnen, Eva-Maria Alfing und Andrea Praeger, über ihre Erfahrungen mit Learning-Apps im Fachunterricht. Gerade zur Unkrautbestimmung auf dem Feld stehen etliche leicht zu bedienende Internetanwendungen zur Verfügung. Die Mitnahme von Bestimmungsbüchern entfällt. Im Übrigen stehen diese Apps im betrieblichen Alltag über das Handy ständig zur Verfügung. So bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, den Unterricht mit modernen Medien für Jugendliche attraktiv zu gestalten.
Gesucht: Die gute Lehrkraft
Auf den kontinuierlichen Mangel an beruflichen Lehrkräften, auch im agrarwirtschaftlichen Bildungsbereich, wies Professor Riedl, Studiendekan Berufliches Lehramt an der TU München, in seinem Vortrag hin. Als mögliche Ursachen nennt er:
• Informationsdefizite von Hochschulzugangsberechtigten über das berufliche Lehramt
• unbegründeten Imageproblemen des Berufsbildes
• Lehrkräfte an beruflichen Schulen sind für eigene Schüler kaum potenzielles berufliches Modell
• Zu kleine Rekrutierungsbasis durch Wettbewerb mit Fach-/Ingenieurwissenschaften
• Besondere Bedürfnisse eines Lehramtsstudiums in universitären Strukturen oft zu wenig berücksichtigt
• Zusätzlich einjährige berufliche Praxiserfahrung zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst
Angesichts des Bewerbermangels an grundständig ausgebildeten Lehrkräften greifen die Bundesländer auf Sonderprogramme zurück und stellen Hochschulabsolventen ein, die sie über das Referendariat oder den Direkteinstieg (direkt in den Schuldienst mit paralleler Nachqualifizierung). Für Professor Riedl sind dies Notlösungen, die „keine der grundständigen universitären Lehramts-Ausbildung qualitativ gleichgestellte Qualifizierung“ darstellen. Die fehlende wissenschaftliche Qualifizierung der Lehrkräfte im pädagogischen Bereich wird nach seiner Ansicht zu einem Qualitätsverlust der berufsschulischen Bildung führen.
Der Hochschullehrer fordert daher
• alternative Zugangswege in einer fundierten, an der grundständigen beruflichen Lehrerbildung orientierten Form,
• innovative Ausbildungskonzepte und Erschließung neuer Zielgruppen besonders in Mangelfachrichtungen,
• Werbung für die beruflichen Lehramtsstudiengänge.
Als Beispiel nennt er den an der TU München Studiengang „Master Berufliche Bildung integriert“, der den Masterstudiengang mit dem Vorbereitungsdienst kombiniert und dadurch die Ausbildungszeit verkürzt.
Anhand eines Zitats von Zierer1) (2018), der Hattie interpretiert, skizziert Professor Riedl am Ende seiner Ausführungen die Eigenschaften einer erfolgreichen Lehrkraft:
„Erfolgreiche Lehrpersonen haben nicht nur eine Leidenschaft für das Fach, sondern auch für die Didaktik und die Pädagogik, für die Lernenden und für ihren Beruf. Und diese Leidenschaft ist nicht nur wichtig, um eine erfolgreiche Lehrperson zu werden. Sie ist auch wichtig, um ein Leben lang diesen herausfordernden Beruf auszuüben, also erfolgreiche Lehrperson zu bleiben“.
Während sich Fach-, Pädagogik- und Didaktik-Kompetenz in der Lehrkräfteausbildung gut schulen lassen, sind Haltungen (Muster von Werten, Einstellungen, Wollen, innerer Kompass…) nicht so leicht zu verändern. Sie gehören aber zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren guten Unterrichts und sind daher in der Lehrkräfteausbildung weiter zu entwickeln, so Professor Riedl.
Frau Dr. Müller-Weichbrodt, Fachdidaktikerin an der Humboldt Universität zu Berlin, wies ergänzend darauf hin, dass sich erst 6 – 8 Jahre nach dem Referendariat ein professionelles Lehrerhandeln entwickelt hat. Daher fordert sie für die Zeit nach dem Vorbereitungsdienst eine berufsbegleitende, kontinuierliche Fortbildung und zwar im fachlichen und im fachdidaktischen Bereich. Profunde Fach- und Didaktikkompetenz sind Grundvoraussetzungen für erfolgreichen Unterricht.
In einem weiteren Referat betonte Frau Ramgraber, Lehrerin am Berufsschulzentrum Regensburger-Land, dass gerade in den wenig homogenen Berufsschulklassen die pädagogische Kompetenz der Lehrkraft gefragt ist. Denn für die Planung und Durchführung von individualisiertem Unterricht bedarf es einer vertieften methodisch-didaktischen Ausbildung. An Beispielen aus dem eigenen Unterricht zeigt Frau Ramgraber Möglichkeiten auf, wie man z.B. mit Informationstexten unterschiedlicher Niveaustufen die Lernenden individuell fördern kann.
Aus Sicht der drei Referenten kann ein qualitativ hochwertiger Unterricht nur dann stattfinden, wenn die Lehrkräfte eine wissenschaftlich fundierte pädagogische Ausbildung erfahren. Dennoch verzichten die meisten Bundesländer, mit Ausnahme von Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin auf ein grundständiges „Agrarlehrer-Studium“. Die Lehrpersonen werden nur über das Referendariat pädagogisch qualifiziert oder erhalten über den Direkteinstieg eine pädagogische „Schmalspurausbildung“. Berufsbegleitende kontinuierliche Fortbildungen, wie von Frau Dr. Müller-Weichbrot gefordert, könnten die fachdidaktischen Defizite dieser Lehrkräfte deutlich verringern.
Der Bundesring unterstützt die Forderung von Dr. Müller-Weichbrodt und möchte selbst weitere Verbesserungsvorschläge zur Lehrkräfteausbildung im Agrarbereich in die Diskussion einbringen.
Berichte aus den Bundesländern
Insgesamt berichten die Kollegen aus den Bundesländern von leicht sinkenden Ausbildungszahlen. Auszubildende für den Agrarbereich sind in allen Regionen gesucht; allein der im Garten- und Landschaftsbau gelingt es durch gute Rahmenbedingungen genügend Nachwuchs zu gewinnen.
In einigen Ländern führt die Konzentration von Schulstandorten zu langen Anfahrtswegen für die Auszubildenden, was wiederum zu sinkenden Ausbildungszahlen in diesen Berufen führt.
1) Hattie, J., Zierer, K. (2018): Kenne deinen Einfluss! „Visible Learning“ für die Unterrichtspraxis. Schneider Verlag Hohengehren
Bild 1: Die Veranstaltungsteilnehmer auf dem weiträumigen Bildungscampus
Bild 2: Fachdidaktiker unter sich:
v.l.n.r.: Dr. Eder, Professor Riedl (beide TUM), Dr. Müller Weichbrodt (Berlin)
Bild 3: Die Lehrerrinnen Präger und Alfing stellen Learning-Apps vor
Bild 5: Günter Denninger und Professor Alfred Riedl